Gefährdete Nutztierrassen des Jahres 2024: Angora-, Marder- und Luxkaninchen

Fotos: Kalugin, Happel, Fischer

Gesellige Tiere zwischen Tradition und Moderne

Drei Kaninchenrassen wurden für das Jahr 2024 von der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V. (GEH) zur „Gefährdeten Nutztierrasse des Jahres“ gewählt. Es handelt sich um das das Angorakaninchen und das Luxkaninchen, die beide in der Kategorie II der stark gefährdeten Rassen stehen sowie um das extrem gefährdete Marderkaninchen, die alle auf der gemeinsamen Roten Liste der GEH und des ZDRK (Zentralverband Deutscher Rasse-Kaninchenzüchter e.V.) stehen.

Die Kaninchenhaltung hat eine sehr lange Tradition und ist noch heute in ländlichen Regionen stark verbreitet. Kaninchenzucht, insbesondere die Zucht von gefährdeten Rassen, ist hingegen weniger häufig und fast ausschließlich im Bereich von Hobbyzuchten mit Ausstellungswesen angesiedelt. Die Zucht von Rassekaninchen zeigt eine große Vielfalt an Farbe und Gestalt der Tiere in den unterschiedlichen Größenklassen. Überwiegend werden sie als Hobbytiere und/oder zu Nahrungszwecken als Nutztiere gehalten. Vom Angorakaninchen lässt sich zudem wertvolle Wolle gewinnen.

Die GEH wählt seit 1984 jährlich ein Tier oder eine Gruppe von Tieren zur „Gefährdeten Nutztierrasse des Jahres“ aus der Roten Liste mit dem Ziel, weiteres Interesse zu wecken und neue Züchterinnen und Züchter zu gewinnen, die die Erhaltungsmaßnahmen mit unterstützen und fortführen. Darüber hinaus soll die „Gefährdete Nutztierrasse des Jahres“ stellvertretend auf die Problematik der 176 gefährdeten Nutztierrassen der Roten Liste der GEH aufmerksam machen.

Rote Liste der Kaninchenrassen

Auf der gemeinsamen Roten Liste der GEH und des ZDRK stehen aktuell 29 heimische gefährdete Kaninchenrassen. Weitere Rassen werden folgen, denn ein großer Teil der Züchterinnen und Züchter wird das Hobby aus Altersgründen in den nächsten Jahren aufgeben, gleichzeitig ist die Begeisterung jüngerer Menschen an der klassischen Kaninchenzucht leider nur wenig vorhanden. Hier könnten vielleicht neue und reizvolle Betätigungsfelder auch im Bereich alternativer Haltungsformen mit Freilandgruppenhaltung ein neues Interesse für diese Tierart wecken und dazu beitragen, dass die gefährdeten Kaninchenrassen plötzlich wieder ganz „modern“ sind.

Vielfalt der Kaninchenrassen

Die aktuell in Deutschland gezüchteten 65 Kaninchenrassen wurden alle aus der Stammform des Wildkaninchens gezüchtet, das auf der Iberischen Halbinsel in Südwest-Europas verbreitet war. Das Kaninchen wurde von den Römern domestiziert und in größeren Gehegen (Leporarien) gehalten. Die ersten Kaninchenrassen werden im 15. Jahrhundert in Frankreich und England erwähnt, wo die Kaninchenhaltung einen florierenden Zweig der Landwirtschaft darstellte. Eine besondere Form der Haltung stellte die gemeinsame Aufstallung von Rindern und Kaninchen ab dem Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert dar. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts bildeten sich in Deutschland die ersten Kaninchenzuchtvereine mit dem Ziel der besseren Eiweißversorgung der Bevölkerung in den Ballungsgebieten. Heute wird Kaninchenfleisch als besondere Delikatesse angesehen. Es ist fettarm und enthält weniger Kalorien als Hähnchenfleisch oder Putenfleisch und ist dabei dennoch reich an Proteinen und B-Vitaminen. Hohe Inhaltsstoffe wie Eisen und Magnesium zeichnen das Fleisch aus. Der Verkauf von Kaninchenfellen war früher ebenso eine willkommene Einnahmequelle. Das als Seidenhase bezeichnete Angorakaninchen, das Ende des 18. Jahrhunderts in Preußen und Thüringen Verbreitung fand, stellt mit seinem Wollertrag durch Scheren, eine weitere Nutzungsrichtung dar.

Das Angorakaninchen – stark gefährdet

Die Langhaar Kaninchen mit dem Namen Angora waren vor etwa 300 Jahren bereits in England bekannt, der Name geht auf die türkische Provinz Angora zurück, wo auch die langhaarige Angoraziege herkommt. Seit Ende des 18. Jahrhunderts werden Angorakaninchen auch in Deutschland in fünf verschiedenen Farben gezüchtet. Angora werden zur Wollerzeugung mit bis zu 2 kg Wollertrag/Jahr sowie als Schlachtkaninchen gehalten. Sie sind futterdankbar, mastfähig und ausreichend fruchtbar bei gutem Aufzuchtvermögen. Zuchtziel ist ein mittelgroßes Kaninchen mit guter Körperform und ausgeprägtem Rassetyp. Hierzu gehören neben der reichlich entwickelten Wolle die Büschelbildung an Kopf und Ohren sowie der Behang der Läufe. Neben dem weißen Farbschlag (häufig Albino) sind alle einfarbigen Farbvarianten zugelassen. Die Langhaarigkeit des Angorakaninchens beruht auf einer Mutation und wird rezessiv gegenüber Normalhaar vererbt. Das Vlies der auf Wollleistung gezüchteten Tiere ist sehr fein und muss regelmäßig (alle 80-85 Tage) geschoren werden. Den Wert der Wolle bestimmt die Dichte der Unterwolle. Aus Tierschutzgründen im Bereich der Haltung und des Scherens sollte nur Wolle von Tieren aus Deutschland gekauft werden.

Der Bestand der Angorakaninchen ist in Deutschland seit Jahren rückläufig. Im Jahr 2022 waren es 54 Züchter mit 87 Rammlern und 122 Häsinnen. Körpergewicht: Normalgewicht, zwischen 3,5 -5,25 kg. Verwendung: Wolle und Fleisch

Das Luxkaninchen – stark gefährdet

Luxkaninchen entstanden zu Beginn des 20. Jahrhunderts zufällig aus den Rassen Perlfeh und Marburger Feh. Das ca. 2,5 kg schwere, leicht gedrungen wirkende Kaninchen verfügt über eine mittellange dichte Unterwolle, die Deckfarbe ist lichtblau mit silbrigem Glanz und einer schwach durchscheinenden braunroten Färbung. Die gelblichen Tiere gefielen einem Züchter sehr gut, da Felle dieser Farbe zu der Zeit (um 1920) als Besatz von Damenhüten gefragt waren. 1922 wurde die Kleinrasse als eigenständige Rasse anerkannt. Bei weiterer Züchtung entstanden Felle, die der Farbe von Luchsfellen nur im weitesten entsprachen und es daher auch zur Namensänderung in Luxkaninchen kam. Ihr Körper ist leicht gedrungen mit einer guten Hinterkörperrundung und einem guten Stand. Die Haarlänge beträgt etwa 25 mm. Luxkaninchen haben ein ruhiges Wesen, sind aber etwas scheu. Sie zeichnen sich durch gute Fruchtbarkeit, relative Frühreife, Robustheit und Widerstandsfähigkeit aus. Verbreitet ist die Rasse vor allem in Nord-, West- und Mitteldeutschland.

Der Bestand der Luxkaninchen schwankte in den vergangenen 15 Jahren zwischen rund 400 bis über 500 Tieren. Im Jahr 2022 waren es nur 154 Rammler und 247 Häsinnen. Körpergewicht: Normalgewicht 2,5 kg bis 3,25 kg. Verwendung: Fleischkaninchen

Das Marderkaninchen – extrem gefährdet

Marderkaninchen entstanden um 1924 in Hamburg. Es waren mehrere Züchter damit befasst ein Kaninchen zu züchten, dass dem nordamerikanischen Opossum ähneln sollte. Dies gelang durch Kreuzung der Rassen Blaue Wiener, Thüringer, Hasenkaninchen, weiße Angora, Havanna und Chinchilla. Ein Schwerpunkt der Marderkaninchenzucht liegt in Süd- und Ostdeutschland. Mit bis zu 3,25 kg Körpergewicht gelten sie als kleine Rasse und weisen einen gedrungenen, mittelhohen Körper mit kräftigem Kopf auf. Die lichtbraune oder blaue Deckfarbe des Fells ist an Seiten und Flanken heller getönt. Über den Rücken zieht sich ein etwa acht Zentimeter breiter Streifen. Marderkaninchen kommen in den Farbschlägen braun und blau vor. Die im Rassestandard beschriebenen sogenannten Typmarder sind spalterbig, d. h. Verpaarungen untereinander führen nur zu 50 % typgerecht gezeichneten Tieren, je 25 % sind so genannte Dunkelmarder und 25 % Russenkaninchen (in manchen Zuchtlinien auch Albinos). Die Färbung der Marderkaninchen wird durch den Marderfaktor (Teilalbino) hervorgerufen. Der ursprüngliche Farbenschlag ist der Braune.

Die Bestandszahlen der Marderkaninchen sind seit rund 10 Jahren weiter rückläufig. Bei der letzten Bestandserhebung im Jahr 2022 waren es 148 Häsinnen und 95 Rammler bei 46 Züchtern des braunen Marderkaninchens. Körpergewicht: Normalgewicht 2,5 – 3,25 kg. Verwendung: Fleischkaninchen

Zu Tierwohl und Haltung gefährdeter Kaninchenrassen

Hauskaninchen haben vergleichbare Verhaltensbedürfnisse wie Wildkaninchen. Kaninchen sind gesellige Tiere, die naturgemäß in klaren Hierarchien in Gruppen von 20 bis 30 Tieren leben. Im Zuchtalltag stellt dies eine hohe Herausforderung dar und wird entsprechend selten praktiziert. In der weit verbreiteten Einzelhaltung können verschiedene Verhaltensweisen nicht ausgeführt werden, sie gilt daher als nicht artgerecht. Die Vergesellschaftung von Kaninchen die sich noch nicht kennen, führt unweigerlich zu harten Auseinandersetzungen um die Rangordnung zu klären. Die Rangordnung ist die Voraussetzung für ein friedliches Miteinander. Einfacher ist die Vergesellschaftung einander bekannter Kaninchen. Wichtig ist das Platzangebot mit mindestens 4 m² für zwei Kaninchen mit vielseitiger Einrichtung, verschiedenen Futterplätzen und Sichtbarrieren. Auch die richtige Geschlechterkonstellation, Größe, Alter und das individuelle Temperament der Tiere sind von Bedeutung. Das Einstreumaterial im Stall soll saugfähig, staubarm und nicht zu rau sein. Nagematerial in Form von Ästen und Zweigen ist zur Befriedigung des Nagebedürfnisses unerlässlich. Den Tieren muss genügend Tageslicht und frische Luft zur Verfügung stehen. Besonders tierfreundlich ist die Freilandhaltung in Schutzgehegen. Kaninchen nehmen Futter selektiv auf, das heißt sie brauchen eine vielseitige Futterzusammensetzung, die ihnen eine Auswahl und auch Zerkleinerung der Komponenten ermöglicht. Dazu ist ein ständiges Angebot an Heu oder Stroh wichtig.

Ansprechpartner zu gefährdeten Kaninchenrassen und weiteren Rassen der Roten Liste:

Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V. (GEH), Walburger Str. 2, 37213 Witzenhausen, Tel.: 05542-1864, Mail: info@g-e-h.de, www.g-e-h.de

Zentralverband Deutscher Rasse-Kaninchenzüchter e.V. (ZDRK), Am Kirchgarten 62; 67434 Neustadt, Bernd Graf, Mail: bernhard.graf@sap.com, www.zdrk.de

GEH-Kaninchenkoordinator: Frank Volkmann, Kirchweg 24, 31855 Aerzen, Tel.: 05154-3381, Mail: frank.volkmann@htp-tel.de

Angorakaninchen, Luxkaninchen: Kontakt GEH-Geschäftsstelle

Marderkaninchen: Karl-Josef Jochem, Saarbrücker Str. 156, 66557 Illingen-Uchtelf, Mail: margit@kj-jochem.de

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